Robert-Houdin, Jean-Eugène
Jean-Eugène Robert-Houdin wurde als Sohn des Uhrmachers Prosper Robert in Blois geboren. Mit 5 Jahren wurde er schwer krank und musste zunächst ein Jahr das Bett hüten und danach längere Zeit in den Räumen des elterlichen Hauses verbringen. Ein Freund seines Vaters zeigte ihm zum Zeitvertreib ein paar Handfertigkeitskunststücke. Die meiste Zeit verbrachte er in der Werkstatt seines Vaters. Obwohl dieser sein Interesse und sein Talent für mechanische Dinge erkannte, schickte er ihn auf ein Internat, sobald es seine Gesundheit erlaubte. Dort erhielt er verschiedene Auszeichnungen für gute Leistungen. In der Schule erwachte ein Interesse für Literatur und Wissenschaft, das ihn sein ganzes Leben nicht mehr losliess.
Nach dem neunten Schuljahr verliess er die Schule und arbeitete sechs Monate als Angestellter in einem Notariatsbüro. Während dieser Zeit arbeitete er weiter heimlich in der Werkstatt seines Vaters. Als sich dieser aus dem Geschäft zurückgezogen und seine Uhrmacherwerkstätte an seinen Neffen Jean-Martin Robert verkauft hatte, überzeugte der Arbeitgeber von Robert-Houdin dessen Vater, ihn den Beruf eines Mechanikers und Uhrmachers erlernen zu lassen. Mit grossem Eifer stürzte sich Robert-Houdin ins Studium der Uhrmacherkunst. Als ihm dabei ein Zauberbuch in die Hände geriet, erkannte er seine wahre Leidenschaft. Während der zweieinhalbjährigen Lehre erlernte er das Jonglieren und befasste sich mit der Manipulation von Karten, Münzen, Bällen usw.
Nach seiner Lehre arbeitete er bei verschiedenen berühmten Uhrmachern. In dieser Zeit begann er auch, öffentlich als Zauberkünstler aufzutreten. 1830 heiratete er Cécile Eglantine Houdin, die Tochter aus Blois stammenden Pariser Uhrmachers, der sich wie Robert-Houdin für Automaten aller Art interessierte. Robert-Houdin liess sich in Paris nieder und studierte weiter den Automatenbau und die Zauberkunst.
1831 wurde sein Sohn Jean-Jacques Emile geboren (das erste von sieben Kindern, die er mit seiner ersten Frau hatte; fünf davon verstarben sehr jung).
1826 reparierte Robert-Houdin nach dem Tod dessen Erbauers (des Holländers Diederich Nicolaus Winkel) das Componium, einen Orchester-Automaten. Von da an wurde er Zeit seines Lebens immer wieder angefragt, die berühmtesten Automaten zu reparieren. Zwischen 1830 und 1837 erarbeitete er sich die Grundlagen für sein magisches Repertoire, entwickelte Uhren und Automaten (unter anderen eine schreibende und zeichnende Figur, einen singenden Vogel und einen Seiltänzer).
1843 starb seine Frau, ein Jahr darauf mit acht Jahren seine Tochter Marie Rosalie und sein Vater. Zwei Monate später heiratete er die achtundzwanzigjährige Marguerite Françoise Olympe Braconnier, mit dem er drei weitere Kinder hatte.
1845 fand er in Paris ein Lokal, in dem er nach entsprechenden Umbauten sein Theater eröffnete und seine "Soirées Fantastiques" veranstaltete, in denen er seine Automaten, mechanische und Handfertigkeitskunststücke, und mit seinem Sohn Emile zusammen eine Hellsehnummer zeigte. 1947 nahm er die "Suspension Ethéréenne" (Besenschwebe), die sensationellste Illusion dieser Zeit, ins Programm auf: sein scheinbar durch äther betäubter Sohn schwebte nur mit seinem Ellbogen auf einen Stock gestützt frei in der Luft.
1848 und 1849 trat er im St. James's Theater in London und am Königshof auf und reiste danach durch England, Irland und Schottland. Wieder in Paris stellte er Hamilton an, der ihn während der Sommerzeit in seinem Theater vertrat, damit er die dringen nötigen Ruhepausen fand.
1852 verkaufte er sein Theater und einige seiner Automaten und mechanischen Apparate an Hamilton. Die Vorstellungen im Theater Robert-Houdin wurden bis 1861 von Hamilton allein weitergeführt, danach engagierte er Pierre Edouard Brunnet als Vertretung während der Zeit, die er auf Tournee ging. Wegen seines Alkoholproblems kam Brunnet als Nachfolger von Hamilton nicht in Frage.Stattdessen wurde der 39-jährige François Eugène Lahire, als Cleverman bekannt, 1864 Hamiltons Nachfolger. Das Theater wurde nach wie vor als "Théatre Robert-Houdin" geführt, die Vorstellungen, in die sich Cleverman und Brunnet teilten, wurden unter dem Titel "Soirées Fantastiques de Robert-Houdin" weitergeführt.
Robert-Houdin unterrichtete Cleverman und verkaufte ihm einige seiner Automaten. Ab 1866 traten zeitweise auch andere Künstler im Theater auf.
Ab 1873 löste Emile Robert-Houdin Cleverman ab und trat erfolgreich mit den Automaten seines Vaters sowie neuen Illusionen auf, die er mit Brunnet zusammen entwickelte. Nach Emiles Tod übernahm 1883 seine Witwe die Leitung des Theaters.
1888 verkaufte sie das Theater an Georges Méliès, der es während 32 Jahren weiterführte. 75 Jahre nach Eröffnung des Theaters wurde 1920 die letzte Vorstellung "Soirée Fantastiques de Robert-Houdin" gegeben.
Nach seinem Rückzug aus dem Theater gab Robert-Houdin in den folgenden Jahren einige Vorstellungen in England und Schottland und nach einer Abschiedstournee führten ihn seine Reisen durch Belgien und Deutschland, wo er grösste Erfolge feierte.
1856 wurde er von der Regierung nach Algerien geschickt, um den Arabern zu zeigen, dass die angebliche Wunder der Marabuts nichts als einfache Tricks waren. Während eines Monats trat er in Algiers auf und erhielt von den grössten Arabischen Führern die schriftliche Bestätigung seiner überlegenen und einmaligen Fähigkeiten. Danach musste Robert-Houdin jedoch zusätzlich bei den arabischen Stämmen eine Demonstration seines Könnens geben. Dabei führte er den Kugelfang vor, was die Anwesenden von seinen übernatürlichen Fähigkeiten überzeugte.
In Marseille gab er zwei Abschiedsvorstellungen und kehrte dann nach Paris zurück. In Saint-Gervais errichtete er in den nächsten Jahren in einer Priorei ein neues Heim, das der Forschung und dem Fortschritt gewidmet sein sollte. Dort baute er eine elektrische Eingangstür und ein elektrisches Eingangstor mit elektrisch ausgelösten Türklingeln im Haus, einen Briefkasten, der durch Klingelsignale im Haus anzeigte, dass Post eingeworfen wurde; die Fütterung seines Pferdes steuerte er vom Haus aus, zentral gesteuerte elektrische Uhren waren im ganze Haus verteilt; Türen und Fenster waren elektrisch gesichert, so dass nachts beim öffnen eine Glocke erklang.
1858 publizierte er seine Memoiren "Confidences d'un prestidigitateur", 1861 "Les Tricheries des Grecs dévoilées. L'Art de gagner à tous les jeux".
1862 gab Robert-Houdin erneut dreissig Vorstellungen in seinem Theater, weitere folgten Anfang 1863.Ab 1862 arbeitete er während sechs Jahren an einer als mehrbändiges Werk geplanten Darstellung der Geschichte der Zauberkunst, der Präsentation, der Manipulation, der Bühnenkunststücke usw. 1868 wurde der erste Teil davon unter dem Titel "Les secrets de la prestidigitation et de la magie" publiziert. Es handelte sich dabei um das erste Zauberbuch, das nicht nur Kunststücke beschrieb, sondern dem angehenden Zauberkünstler die psychologischen und technischen Grundlagen der Zauberkunst vermittelte und dadurch die Grundlage für die moderne Zauberkunst legte. Durch den Tod Robert-Houdins wurden den Lesern weitere Bände vorenthalten. Das von seinen Erben postum herausgegebene Werk "Magie et Physique amusante" gibt nur einen kleinen Teil dessen wieder, was Robert-Houdin geplant hatte.
Zwischen 1866 und 1869 erfand Robert-Houdin verschiedene ophtalmologische Instrumente zur Untersuchung der Augen die an der Akademie derWissenschaften vorgestellt wurden, und veröffentlichte drei Broschüren dazu. Seine Erfindungen wurden in wissenschaftlichen Zeitschriften publiziert
.1870 wurde Robert-Houdin vom Tod seines 33 Jahre alten Sohnes Eugène im Krieg gegen die Preussen schwer getroffen. 1870 besetzten die Preussen Blois und Sainit-Gérvais Dabei wurde auch der Besitz Robert-Houdins requiriert und grosser Schaden angerichtet. Am 20. März 1971 zogen die Preussen aus Blois ab. Robert-Houdin begann seinen Besitz wieder in stand zu stellen und an seinen Automaten zu arbeiten. Am 5. Juni verstarb er infolge einer Lungenentzündung.
Robert-Houdins Handfertigkeit und Geschicklichkeit als Mechaniker machten ihn zum grössten Magier seiner Zeit. Er machte die Taschenspielerkunst gesellschaftsfähig und entwickelte sie zu einer theatergemässen Form. Seine Vorstellungen wurden zum Vorbild für viele folgende Generationen. Er wird daher als "Vater der modernen Zauberkunst" bezeichnet.
Die gesammelten Werke Robert-Houdin sind zu finden in:
Karr T. Essential Robert-Houdin. Miracle Factory, 2006.