1928-2013 (PL)

Moretti, Hans

(Hans Cewe)

Hans Moretti wurde als Sohn eines Bauern in einem kleinen Dorf in Polen geboren. Mit acht Jahren besuchte er mit seiner Schulklasse die Vorstellung eines Zauberkünstlers und war von da an von der Zauberkunst fasziniert.

1940 wanderte die Familie ohne die Eltern, die inzwischen verstorben waren, ins Sudetenland aus. Hans wohnte zunächst bei seiner älteren Schwester, wurde dann aber in ein Kinderheim abgeschoben. Er konnte keine Schule besuchen und brachte sich das Lesen und Schreiben in Deutsch später selber bei.

Nach einem kurzen Aufenthalt bei Pflegeeltern zog er wieder zu seiner älteren Schwester und begann 1944 eine Lehre bei der Reichsbahn. 1945 flüchtet er vor den Russen und fand in Celle erneut eine Anstellung bei der Bahn. Als er sich nach einem Bombenangriff auf den Bahnhof durch die Engländer, bei dem ein Zug mit KZ-Häftlingen getroffen wurde, weigerte, bei den Aufräumarbeiten zu helfen, wurde er entlassen. In der Folge schlug er sich mit diversen Jobs durch.

Als er eines Tages bei einem Varieté ein Foto von einem Künstler sah, der an den Zähnen hing und dabei mit Ringen jonglierte, begann er zu trainieren und gab nicht auf, bis er dies auch schaffte. Danach erlernte er zusammen mit einem Partner das Jonglieren und studierte mit diesem eine artistische Nummer ein, bei der er an den Zähnen, sein Partner jonglierend an seinen Füssen hing. Als eines Tages ein reisendes Varieté im Ort war, führten sie dem Direktor ihre Nummer vor und wurden auf der Stelle engagiert. Da sie schlecht und zuletzt gar nicht mehr bezahlt wurden, kündigten sie bald wieder, der Partner von Moretti zog sich zurück.

Einige Zeit später fand Moretti eine Anstellung bei einem anderen Varieté im Ruhrgebiet und arbeitete dann mit einem Mann zusammen, der als Artist, Komiker, Clown und Zauberer auftrat. Als dieser eines Tages infolge eines Unfalles nicht auftreten konnte, übernahm Hans Moretti, der sich inzwischen die dazu erforderlichen Fertigkeiten angeeignet hatte, seine Rolle. Nach der Rückkehr des Verunfallten tat sich Hans mit einem Akkordeonspieler zusammen und machte sich selbständig. Von da an trat er unter dem Namen Moretti als Artist, Clown und Zauberer auf.

1954 lernte Hans Moretti bei einer Vorstellung seine zukünftige Frau Helga kennen, mit der er zwei Söhne und eine Tochter hatte. Im gleichen Jahr führte er zum ersten Mal eine spektakuläre Blindfahrt mir dem Auto aus, bei der er einen zuvor versteckten Gegenstand fand. Solche Blindfahrten wiederholte er in der Folge in verschiedenen Städten und erhielt dadurch nationale Aufmerksamkeit. übertroffen wurde diese Nummer durch einen weiteren Weltrekord, die Befreiung aus Handschellen und Ketten an einem brennenden, unter einem Hubschrauber hängenden Seil in 20,15 Sekunden. Eiknen weiteren Weltrekorde (von insgesamt 18) erzielte er mit einem Apfelschuss mit verbundenen Augen, rückwärts über die Schulter.

Nachdem sich Moretti einen Namen gemacht hatte, trat er in allen Ländern Europas in den grössten Varietés auf. Er entwickelte weitere spektakuläre Schiessnummern, bei denen er auf an Fäden aufgehängte beweglich Ziele oder auf um seine Partnerin angeordnete Pingpongbälle und ihre Ohrringe schoss; oder er liess zwei Zuschauer auf Telefonbücher schiessen, einen mit Pfeil und Bogen, den zweiten mit einem Gewehr und ein dritter Zuschauer schlug einen Nagel in ein Telefonbuch. Danach erriet Moretti mit Hilfe seiner Partnerin, die als Medium agierte, mit verbundenen Augen die getroffenen Namen.

Moretti spielte auch in verschiedenen Kino- und Fernsehfilmen mit. Dank seines Bekanntheitsgrades blieb es nicht aus, dass er für Auftritte auf Kreuzfahrtschiffen angefragt wurde. Unter anderem führte er dort einen Balanceakt vor, bei dem er mit einem Fuss auf einer Leiter stand, die ihrerseits auf zwei Sektflaschen balancierte, die auf einem von zweimal vier Hals auf Hals stehenden Sektflaschen getragenen Brett stand; auf dem freien Fuss balancierte er einen Blumentopf, den er aus einer auf seiner Schulter platzierten Teekanne begoss, während er aus einer auf dem Kopf balancierten Kanne Wasser in ein Glas goss, das auf einer Streichholzschachtel balancierte, die ihrerseits auf einem in seinem Mund gehaltenen Messer balancierte! Von 1965 bis 1985 absolvierte Moretti 13 Weltreisen auf Kreuzfahrtschiffen. Zu seiner Glatze, die zu seinem Markenzeichen wurde, kam er, als er sich einmal unter Alkoholeinfluss seinen Kopf rasierte. Zuerst besorgte er sich eine Perücke, nachdem ihm jedoch versichert wurde, dass im die Glatze gut stehe, blieb er von da an dabei.

Da es immer schwieriger wurde, mit Schusswaffen zu reisen, suchte Moretti nach einer Alternative und kam auf die Idee Armbrüste zu verwenden. Er entwickelte seine Nummer, bei der er mit einer Armbrust auf den Abzug der zweiten schosst, diese auf die dritte Armbrust usw. So schoss er auf Ballons und auf einen Apfel auf dem Kopf seiner Partnerin, zuletzt mit zwölf Armbrüsten. Diese Nummer wurde von seinen Söhnen übernommen.

Im Zusammenhang mit der Verwendung von Armbrüsten erfand Moretti auch das "Tibetanische Kreuz". Dabei zielten drei Armbrüste auf die Brust und den Kopf des mit Handschellen, Fussfesseln und Ketten mehrfach an ein Kreuz gefesselten Moretti. Die Armbrüste wurden durch Sanduhren ausgelöst, d. h. um nicht von den Pfeilen getroffen zu werden, musste sich Moretti sich innerhalb von 90 Sekunden aus den Fesseln befreien.

Auf einer Kreuzfahrt entstand auch die Nummer mit dem Pappkarton, in dem der gefesselte Moretti scheinbar von Schwertern durchbohrt wurde, welche Zuschauer durch den Pappkarton stiessen, sich entfesselte und schliesslich im Clownskostüm aus dem Karton stieg.

Durch seine Auftritten auf Kreuzschiffen war Moretti unterdessen weltbekannt geworden. Er trat weiterhin in zahlreichen Fernsehshows und an Galas auf.

Moretti erhielt zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem 1976 den ersten Preis in der Sparte Illusionen am FISM-Kongress in Wien, 1979 am FISM-Kongress in Brüssel mit seinem Russischen Roulette den ersten Preis in der Sparte Mentalmagie, den Golden Lion Award von Siegfried & Roy, den Grand Prix Magiques Monte Carlo, einen Masters Fellowship Award von der Academy of Magical Arts, den Mandrake D'Or und das Bundesverdienstkreuz.

Moretti beendete seine Karriere als Zauberkünstler nachdem er an Alzheimer erkrankt war.

Biografie

MORETTI, H., MEHLER, HA. A. Moretti. Eine Magische Karriere. Möwe Verlag GmbH, Hünstetten, 1997