1895-1973 (GB)

Cardini

(Richard Valentine Thomas)

Cardini wurde als Sohn des Handelsreisenden Richard Valentine Thomas und Alice Maude Thomas (ehemalige Skinner) in einem kleinen Fischerdorf in Glamorgan, Wales, geboren. 1898 heiratete seine Mutter Price Pitchford, mit dem sie zwei weitere Kinder hatte. Das erste verstarb bereits als Baby. 1904 beging Pitchford Selbstmord. 1908 gebar Alice Maude ein weiteres Kind, dessen Vater unbekannt ist.

Bereits als Kind kam Cardini in Kontakt mit Schauspielern, die in der Pension seiner Muter übernachteten. Von einem lernte er seine ersten Kunststücke, mit denen er seine Kameraden unterhielt. Schon damals erlernte er die Technik des "Tonguing" (Verbergen und reproduzieren einer brennenden Zigarette im Mund), die später zu einem Grundstein der Nummer wurde, mit der er weltberühmt wurde. Mit 9 lief Cardini von zu Hause weg und arbeitete als Page in einem Hotel in Cardiff. Dort lernte er von einem Falschspieler Kartengriffe wie den Bottom Deal oder das Legen eines Spiels, die Grundlagen des Billardspiels und Trickshots. Einige Zeit spielte er gegen die besten Billardspieler der Gegend und gab Demonstrationen. Später erhielt er die Aufsicht über einen Billardsaloon mit sechs Tischen. In dieser Zeit sah er unter anderem Vorstellungen von Chung Ling Soo, Nate Leipzig, Frank van Hoven. Lafayette, Downs und Thurston dienten ihm als Vorbilder, Downs' "The Art of Magic" wurde zu seiner "Bibel" und aus Thurstons Buch über Kartenmanipulation erlernte er die Rückhandpalmage und den Kartenfang. Bevor er jedoch seinen Traum, Zauberkünstler zu werden, weiterverfolgte, meldete er sich 1914 zum Militärdienst.

Während der 18-monatigen Rekonvaleszenz von seinen 1918 bei einer Bombenexplosion erlittenen Verletzungen und der damit verbundenen Kriegsneurose befasste sich Cardini intensiv mit Kartenmanipulationen. Nach seiner Entlassung aus dem Spital trat er für kleine Gagen in South Wales in Bar Saloons und ab und zu in einem Theater auf, zunächst unter den Namen "Professor Thomas" und "Valentine", dann während mehrerer Jahre als "Val Raymond". Er zeigte eine Sprechnummer mit Kartenmanipulationen, Kartensteiger und einer Fahnenproduktion; eine e Taschenuhr verschwand und erschien wieder am Hals eines Kaninchens.

1919 ging er enttäuscht von seinen Misserfolgen in Wales nach London. Da er keine Engagements über Agenturen erhielt, hielt er sich als Strassenkünstler und Verkäufer von Trickkartenspielen über Wasser. Anfang der Zwanzigerjahre arbeitete er als Verkäufer bei A. W. Gamage Limited, einem grossen Warenhaus mit einer Zaubergeräteabteilung.

1921 verstarb Cardinis Mutter mit 45 an Brustkrebs. 1922 baute er eine Bauchrednernummer in sein Programm ein. Nachdem er es nicht schaffte, Engagements in Varietés zu erhalten, reiste er 1924 nach Australien. Während der zweimonatigen Schiffsreise trat er für die Passagiere auf, und ein an Bord anwesender Agent verschaffte ihm in Australien den Zugang zu Künstleragenturen. Cardini erhielt sogleich einen zwanzigwöchigen Vertrag für Auftritte in den besten Theatern. Innert kürzester Zeit wurde er in Australien unter dem Namen "Cardini" bekannter als er je in England gewesen war. Seine Nummer umfasste Tücherkunststücke, Fingerhut-, Billardball-, Zigaretten- und Kartenmanipulationen.

Nach einem zwanzigmonatigen Aufenthalt in Australien und Neuseeland, wo er in allen grossen Varietés auftrat, reiste er 1926 in die USA. Dort traf er Swan Walker, seine künftige Frau und Partnerin, die er 1927 heiratete und mit der er zwei Kinder hatte. Die Ehe hatte Bestand bis zum Tode Cardinis.

Mitte der Dreissigerjahre wurden viele Varietés geschlossen, Artisten und Künstler mussten unter veränderten Bedingungen in Nachtclubs auftreten. Cardinis Nummer passte perfekt in diesen Rahmen. Zu dieser Zeit gehörte er zu den meistengagierten und bestbezahlten Zauberkünstlern.

Ende 1932 wurde er für 14 Wochen nach Europa verpflichtet, wo er während fünf aufeinander folgenden Wochen (ein neuer Rekord für eine Zaubernummer) im Palladium in London auftrat und zwischendurch kurze Gastspiele im Alhambra in Paris und im Kabarett der Komiker in Berlin gab. Drei weitere Reisen nach Europa mit Auftritten in England, Schweden und Deutschland folgten bis Ende der Dreissigerjahre. Danach kehrte er nie mehr nach Europa zurück.

Die Nummer des leicht angeheiterten Englischen Gentleman mit einem Monokel, an dessen Fingerspitzen zu seinem eigenen Erstaunen Karten, Billardbälle und brennende Zigaretten erschienen, assistiert von Swan in der Rolle eines Hotelpagen, wurde bis Ende der Dreissigerjahre perfektioniert.

In den Vierziger- und Fünzigerjahren trat Cardini vor allem in Hotels und Clubs, später auch im Fernsehen und auf Kreuzfahrtschiffen auf. Dort musst er verschiedene Programme zwischen 10 und 30 Minuten zeigen. So führte er Kunststücke wie Professor's Nightmare, die Verwandlung eines Tuches in ein Ei mit Scheinerklärung, die Salzwanderung, den Eierbeutel, das Kartenschwert usw. vor, in chinesischem Kostüm Kunststücke wie die Produktion eines Aquariums, den Fischfang aus der Luft, die Reisschalen, die Chinastäbe.

Cardinis weltberühmte Manipulationsnummer wurde zur meist kopierten aller Zeiten, doch kein Künstler erreichte je seinen Stil, seine Perfektion, sein Gespür für den dramatischen Effekt und die unterhaltsame Unbeschwertheit des Originals. Mit seiner stummen Manipulationsnummer beeinflusste Cardini Generationen von Manipulatoren.

Biografie:


FISCHER, J. Cardini The Suave Deceiver. Miracle Factory, Los Angeles, CA, 2007